EVP-Grossrat Ruedi Löffels Blog

10 Jahre rot-grüne Regierung im Kanton Bern – (m)eine Bilanz

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Heute geht im Kanton Bern die Zeit der „Cohabitation“ zu Ende: 10 Jahre lang regierte im Kanton Bern eine rot-grüne Mehrheit. Sie stand während dieser Zeit des Öftern im Richtungsstreit mit der Grossratsmehrheit. Was wäre mit einer anderen Regierungsmehrheit anders, was  ähnlich gelaufen?
Die Zeitung „Der Bund“ hat am 27. Juni Bilanz gezogen und mich dazu um einen Beitrag gebeten. Nachfolgend meine persönliche Bilanz zur „Cohabitation“.

Gesetze, Gesetzesänderungen, Budget wie auch alle wichtigen Kreditgeschäfte werden vom Grossen Rat beschlossen. Die politischen und finanziellen Leitplanken des Kantons setzt also ganz klar das Parlament. Die Regierung ihrerseits kann Prozesse anstossen, Themen priorisieren, Vorschläge einbringen und hat in der Umsetzung von Parlamentsbeschlüssen einen relativ grossen Spielraum.

Rückblickend lassen sich aus meiner Sicht wenige Punkte benennen, die ganz eindeutig auf die etwas spezielle politische Konstellation zurückzuführen sind.

Hier ein paar Themen, wo die rot-grüne Regierungsmehrheit sichtbare Spuren hinterlässt:

  • In finanz- und steuerpolitischen Fragen ist es der Regierung einige Male gelungen, die Forderungen und Entscheide des Grossen Rates abzufedern oder zu verzögern.
  • Das Lohnsummenwachstum für das Personal wäre mit einer anderen Regierung vermutlich tiefer ausgefallen.
  • Dass in der Energiepolitik die Themen erneuerbare Energie und Effizienz im Zentrum stehen, wurde durch die rot-grüne Regierungsmehrheit begünstigt. In der Kantonalen Energieverordnung zum Beispiel ist die Handschrift der Regierung zu erkennen.
  • So paradox es klingen mag, aber im Gesundheits- und Sozialbereich hat der Grosse Rat Entscheide gefällt, die möglicherweise mit einer anderen Regierung milder ausgefallen wären. Einige Male schien es, als hätte die Parlamentsmehrheit einzig aus Opposition gegenüber Regierungsrat Perrenoud gehandelt.

 

Widersprüchliche und überhöhte Erwartungen

Gesprächsklima und Diskussionskultur zwischen Regierung und Parlament wären vermutlich mit anderen Mehrheiten in einigen Fällen höflicher und konstruktiver gewesen. Namentlich im Bereich Gesundheit und Soziales wurde teilweise stark auf den Mann gespielt, was wenig zielführend war. Gewisse Geschäfte wären ohne Cohabitation allenfalls schneller zu einem Abschluss gekommen. Dies sagt jedoch nichts aus über die Qualität der Entscheide.

Vorwürfe und Schuldzuweisungen an die Adresse der Regierung deuteten in einigen Fällen weniger auf eine Blockade zwischen Regierung und Parlament hin, als auf die Unfähigkeit der Grossratsmehrheit, die teilweise widersprüchlichen oder überhöhten Erwartungen und Bedürfnisse der eigenen Klientel zu erfüllen. Dies gilt namentlich für das Hickhack in der Spitalpolitik.

Eine bleibende Erinnerung ist die Erarbeitung und Verabschiedung des ASP-Sparpaketes im November 2013. Da fanden Regierung und Parlament nach langem Hin und Her einigermassen gemeinsam einen Weg zur vorläufigen Stabilisierung des Finanzhaushaltes.

 

Stadt-Land-Graben herbeigeredet

Die rot-grüne Regierung stand in den Augen vieler Grossratsmitglieder als Sinnbild für die Anliegen und Ansichten der städtischen Kantonsgebiete. Dies führte in Fragen wie Umsetzung der Verwaltungsreform, Spitalstandorte, ÖV, Motorfahrzeugsteuern oder in der Diskussion um die Fachhochschulen dazu, dass ein Stadt-Land-Graben herbeigeredet und teilweise bewusst als Oppositionsmittel eingesetzt wurde. Dies war der Entwicklung des Kantons Bern eher nicht zuträglich. Andererseits haben die unterschiedlich gelagerten Mehrheiten bei sehr wesentlichen Geschäften wie beispielsweise der Diskussion um die Pensionskassen, bei den  Löhnen des Staatspersonals  oder jüngst beim Baugesetz nach zähem Ringen zu tragfähigen Lösungen geführt. Solche Beispiele zeigen, dass es durchaus positiv sein kann, wenn gangbare Wege hart erarbeitet werden müssen und nicht immer im Vornherein klar ist, dass Parlament und Regierung die gleichen Ideen und Schwerpunkte wichtig sind.

 

Regierung hat viele Zugeständnisse gemacht  

Die Cohabitation hat das System aus meiner Sicht nicht wirklich verändert. Die rot-grüne Regierung hat in den 10 Jahren ihres Bestehens viele Zugeständnisse gemacht und sich weitgehend am Machbaren orientiert. Ob und wie weit dies immer ganz freiwillig geschah, ist von aussen schwer zu beurteilen.
Mit der Parlamentsrechtsrevision sollte die Arbeit des Parlamentes gestärkt und qualitativ verbessert werden. Durch die Zunahme der interkantonalen und internationalen Verflechtung ist dies schlicht nötig, um dem Grossen Rat minimale Einflussmöglichkeiten zu erhalten. Einen direkten Zusammenhang mit der Regierungszusammensetzung sehe ich nicht.

 

In wichtigen Fragen die Hände gebunden

Dass sich Regierungsmitglieder primär mit den teilweise sehr anspruchsvollen und komplexen Themen ihrer Direktion befassen, liegt in der Natur der Sache. Eine Schuldzuweisung an die Regierungsmehrheit bezüglich gewisser Probleme in der GEF lässt zum Beispiel in der Spitalpolitik ausser Acht, dass die Grossratsmehrheit dem zuständigen Regierungsmitglied punkto Einflussnahme in wichtigen Fragen die Hände gebunden hat.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang eher die Feststellung, dass die zahlreichen Probleme in der POM (Thorberg, Migrationsamt, Stades de Bienne usw.) für den verantwortlichen Regierungsrat relativ glimpflich über die Bühne gingen.

 

FAZIT: 10 Jahre rot-grüne Regierung haben dem Kanton Bern sicher nicht geschadet. In einigen wichtigen Geschäften führte die Cohabitation zwar zu harten und teilweise langen Auseinandersetzungen, aber kaum zu Entscheiden, die sich für unseren Kanton nachteilig auswirken werden. So hat beispielsweise die ausgewogene Finanz- und Steuerpolitik die aus dem Dialog zwischen Regierung und Parlament resultierte, den Kanton vor Problemen bewahrt, wie sie in anderen Kantonen durch übermässige Steuersenkungen entstanden sind.

Mit Blick auf die kommenden Jahre bin ich nun sehr gespannt, wie die Parlamentsmehrheit den Vorschlägen der Regierung zu heiklen und umstrittenen Themen begegnen wird. Eins ist sicher: Für Misserfolge und Führungsprobleme kann ab sofort nicht mehr die rot-grüne Regierung verantwortlich gemacht werden…

 

Ruedi Löffel, Grossrat EVP (seit 2002)

Written by Ruedi Löffel

30. Juni 2016 at 17:30

Die «Milchkuh-Initiative» ist alles andere als fair (Abstimmung 5.6.16)

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Bis 1958 floss der Benzinzoll (heute Mineralölsteuer) – wie alle anderen Zolleinnahmen auch – vollumfänglich in die allgemeine Bundeskasse. 1958 wurde festgelegt, dass ein Teil davon zweckgebunden für den Strassenverkehr verwendet werden solle. Seit 1983 sind es genau 50%, was heute rund 1,5 Milliarden pro Jahr ausmacht. Die andere Hälfte fliesst in die Bundeskasse zur Finanzierung von anderen Dienstleistungen.

Diesen allgemeinen Beitrag erachte ich aus mehreren Gründen als sinnvoll und angebracht:

  • Die Mineralölsteuer ist eine Steuer. Steuern sind grundsätzlich nicht zweckgebunden. Vielmehr ist es fair, wenn Steuern (auch) dazu dienen, allgemeine Aufgaben zu finanzieren. Bei der Alkoholsteuer zum Beispiel wird ja wohl auch niemand verlangen, diese zweckgebunden zum Bau und Unterhalt von Wirtshäusern einzusetzen…
  • Die Annahme der Initiative würde ein Milliardenloch in die Bundeskasse reissen, so dass in anderen Bereichen viel Geld eingespart werden müsste. Bildung und Forschung, der öffentliche Verkehr, Landwirtschaft oder auch Landesverteidigung müssten wie auch die Kantone mit schmerzhaften und schädlichen Kürzungen rechnen.
  • Beim Strassenverkehr fallen nicht nur Strassenbau und -unterhalt als Kosten an. Folgekosten von Unfällen, der Aufwand für Strassensicherheit, Autobahnpolizei, Strassenreinigung usw. werden aus allgemeinen Mitteln finanziert. Hinzu kommt, dass der Strassenverkehr ungedeckte Umwelt- und Gesundheitsschäden verursacht.
  • Im europäischen Vergleich sind unsere Schweizer Strassenabgaben mittelmässig hoch. Kaufkraftbereinigt fahren wir sogar ziemlich billig.
  • Eine Umlagerung von so viel Geld würde das Autofahren gegenüber dem öffentlichen Verkehr verbilligen und zu einer Verlagerung auf die Strasse führen. Dies gilt es zu verhindern!

Fazit: Wie alle anderen Steuern dient auch der Ertrag der Mineralölsteuer zur Erfüllung aller Aufgaben der öffentlichen Hand. Die von der «Milchkuh-Initiative» angestrebte Entsolidarisierung ist deshalb alles andere als fair und sollte mit einem klaren NEIN unbedingt verhindert werden. Dies empfehlen auch Bundesrat, Ständerat (32 zu 4 Stimmen) und Nationalrat (123 zu 66 Stimmen).

Mit dem Essen spielt man nicht! (Eidgen. Abst. 28.2.16)

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Was viele von uns ihren Kindern anerziehen, sollte erst recht für Erwachsene gelten. Namentlich dann, wenn der berechtigte Verdacht besteht, dass durch Spekulation mit Nahrungsmitteln der Hungertod von anderen Menschen mitverursacht wird!
Alle 3 Sekunden verhungert ein Mensch. Unvorstellbar! Und eigentlich wollen wir uns dies ja auch gar nicht vorstellen (müssen). Mehr als die Hälfte der Hungertoten auf dieser Erde sind Kinder. Diese Tragödie spielt sich ab, obwohl die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO der UNO sagt, es könnten 12 Milliarden Menschen ernährt werden.
Hauptproblem sind also nicht die fehlenden Grundnahrungsmittel Getreide, Mais oder Reis, sondern ihre Erhältlichkeit zu verkraftbaren Preisen. Börsenspekulation scheint dafür mitverantwortlich zu sein, dass die Weltmarktpreise für Grundnahrungsmittel in den letzten 15 Jahren massiv gestiegen sind. Mit katastrophalen Auswirkungen für die Ärmsten dieser Welt.
Mir ist klar, dass es nebst Spekulation andere und gewichtige Gründe für den Anstieg der Nahrungsmittelpreise gibt. Aber mit einem Ja zur Volksinitiative «Keine Spekulation mit Nahrungsmitteln!» können wir wenigstens diesen einen Grund beeinflussen. Und ich meine, wir sollten es tun.
Die Initiative will Banken und Vermögensverwaltern verbieten, in Finanzinstrumente zu investieren, die sich auf Agrarrohstoffe und Nahrungsmittel beziehen. Für die Schweiz ist diese Einschränkung wirtschaftlich verkraftbar, vor allem auch deshalb, weil sich die Initiative an bestehenden Regulierungen in den USA und der EU orientiert.
Und weil klar ist, dass wir in der Schweiz den Missstand der schädlichen Spekulation mit Nahrungsmittel nicht alleine lösen können, wird der Bund beauftragt, sich für die weltweite Bekämpfung einzusetzen. Gut so!

Written by Ruedi Löffel

2. Februar 2016 at 12:19

Studiermöglichkeit für Flüchtlinge aus Syrien an Berner Hochschulen

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Zusammen mit Anita Luginbühl (BDP), Christoph Ammann (SP) und Philippe Müller (FDP) habe ich im Kantonsparlament in Bern einen Vorstoss eingereicht, der es Flüchtlingen aus dem syrischen Bürgerkrieg ermöglichen soll, an der Berner Fachhochschule und an der Universität Bern ihr Studium fortzusetzen.

Insgesamt 83 Grossrätinnen und Grossräte aus allen Parteien haben den Vorstoss unterschrieben. Das heisst, dass das Anliegen von der Mehrheit des 160-köpfigen Kantonsparlamentes mitgetragen und unterstützt wird.
Nun wird die Erziehungsdirektion eine Antwort verfassen und den Vorstoss vermutlich im März oder Juni dem Parlament zur Abstimmung vorlegen.

Hier die Motion im Wortlaut:

Der Regierungsrat wird beauftragt,

  1. zusammen mit den Berner Hochschulen Massnahmen zu ergreifen, die es syrischen Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommen ermöglichen, ihr kriegsbedingt abgebrochenes Studium in der Schweiz fortzusetzen.
  2. Massnahmen zu ergreifen, die es geeigneten Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommen ermöglichen, Hochschulvorbereitungskurse oder ein geplantes Studium in Angriff zu nehmen und zu absolvieren.
  3. sich beim Bund dafür einzusetzen, dass Ausbildungsmöglichkeiten für Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene Bestandteil entwicklungspolitischer Massnahmen werden.

Begründung

Während des Ungarnaufstandes 1956 wurde es Flüchtlingen in der Schweiz schnell und unbürokratisch ermöglicht, ihr Studium aufzunehmen oder weiterzuführen. In den Universitäten Zürich und Basel und an der ETH Zürich erinnern heute noch Gedenktafeln an diese Hilfsbereitschaft und Weitsichtigkeit. Damals unterstützten sowohl Gewerkschaften wie auch der Freisinn die «Studentische Direkthilfe Schweiz – Ungarn». An diese humanitäre Tradition soll angeknüpft werden.

Heute steht der Kanton Bern, genauso wie die restliche Schweiz, vor der Herausforderung, vorläufig aufgenommene und anerkannte Flüchtlinge schnellstmöglich zu einer sinnvollen Tätigkeit zu bringen.

Unter den Flüchtlingen aus Syrien befinden sich auch solche, die Hochschulreife erlangt haben oder ein begonnenes Studium abbrechen mussten. Es sind ehrgeizige Menschen dabei, die eines Tages gut ausgebildet in ihr Land zurückkehren sollten, um beim Wiederaufbau zu helfen.

Offensichtlich stellt es jedoch eine grosse Herausforderung dar, die zahlreichen Hürden zwischen einer Aufnahme in der Schweiz und dem Zugang zu einer Hochschule zu meistern.

Um einen nachhaltigen Beitrag zur sinnvollen Nutzung des vorhandenen Potenzials und zum mittelfristigen Wiederaufbau in Syrien sowie der langfristigen Entwicklung dieses Landes zu leisten, sollte der Kanton Bern die Studiermöglichkeit syrischer Flüchtlinge verstärkt unterstützen und sich für ein Engagement der Bundesbehörden einsetzen. Es versteht sich dabei von selber, dass sich ein entsprechendes Angebot an Flüchtlinge richten soll, welche die Hochschulreife erlangt oder bereits ein Studium begonnen hatten.

Ort / Datum: Münchenbuchsee, 18. Januar 2016

Written by Ruedi Löffel

20. Januar 2016 at 15:39

NEIN zur Verschärfungsinitiative! (Abstimmung 28.2.16)

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Die sogenannte Durchsetzungsinitiative über die wir am 28. Februar 2016 abstimmen müssen, gibt vor, die im November 2010 angenommene Ausschaffungsinitiative „durchzusetzen“. In Tat und Wahrheit ist es aber eine Verschärfungsinitiative.  Warum lehne ich diese Mogelpackung ab?

  1. Der Deliktkatalog für Landesverweise wurde gegenüber der Ausschaffungsinitiative stark erweitert, es ist also eine Lüge, wenn behauptet wird, die Ausschaffungsinitiative würde „durchgesetzt“. Diese verlangte die Ausschaffung von Schwerverbrechern.
  2. Schwerverbrecher wie Mörder oder Vergewaltiger sollen nun aber gemäss Verschärfungsinitiative gleich behandelt werden wie Gelegenheitsdiebe oder solche die bei der Sozialversicherung einen Fehler gemacht haben – dies ist schlicht nicht akzeptabel.
  3. Eine Auflistung von Delikten gehört nicht in die Verfassung, sondern in ein Gesetz. Dieses wurde von National- und Ständerat wie mit der Ausschaffungsinitiative beschlossen und kann in Kraft treten, wenn die Verschärfungsinitiative abgelehnt wurde.
  4. Unabhängige Richter sind für einen funktionierenden Rechtsstaat unerlässlich, sie müssen die Möglichkeit haben, Einzelfälle individuell und fair zu beurteilen – dies versucht die Verschärfungsinitiative zu verhindern.
  5. Secondos ohne Schweizerpass und auch andere Ausländer sind nicht minderwertige Menschen und sollen vor Gericht gleich behandelt werden wie Menschen mit Schweizerpass, die einen Fehler gemacht haben – auch diesen Grundsatz will die Verschärfungsinitiative ändern.
  6. Wenn wir Ausländerinnen und Ausländer als minderwertig  behandeln, wird sich dies auch negativ auf ausländische Firmen auswirken, die in der Schweiz tätig sind. Dies schadet der Wirtschaft.

Merci, wenn Sie am 28. Februar auch NEIN stimmen und so dem Angriff auf unseren Rechtsstaat eine Absage erteilen.

Written by Ruedi Löffel

30. Dezember 2015 at 11:40

Lässt sich das Volk von einer Lügen-Kampagne täuschen?

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Beitrag zur eidg. Volksabstimmung vom 14.06.15 über die Einführung einer nationalen Erbschaftssteuer
Gehören Unternehmen oder Landwirtschaftsbetriebe zum Nachlass (…) gelten für die Besteuerung besondere Ermässigungen, damit ihr Weiterbestand nicht gefährdet wird und die Arbeitsplätze erhalten bleiben.
Diese Formulierung steht im Initiativtext für die Einführung einer nationalen Erbschaftssteuer und soll als Art. 129a (neu), Abs. 5 in die Verfassung geschrieben werden.
In der Verfassung sind die Grundprinzipien unserer Demokratie festgehalten, sie ist zwingendes Grundrecht, an das sich Bundesrat, National- und Ständerat bei allen Entscheiden zu halten haben.
In ihrer Gegenkampagne behaupten die Wirtschaftsverbände und auch zahlreiche Unternehmer immer und immer wieder, die nationale Erbschaftssteuer zerstöre tausende von Arbeitsplätzen und gefährde den Weiterbestand von KMU-Betrieben.
Für mich ist klar: Wer so etwas behauptet, hat entweder den Initiativtext nicht gelesen oder verbreitet bewusst Unwahrheiten, denn der vorgeschlagene Verfassungstext (vgl. oben) verlangt bei der Einführung der Erbschaftssteuer unmissverständlich und klar eine Regelung für den Erhalt der Arbeitsplätze und für den Weiterbestand der Unternehmen.
Lässt sich „das Volk“ von der Lügen-Kampagne der finanzkräftigen Gegner täuschen und lehnt am 14. Juni die Einführung der Erbschaftssteuer ab?
Das wäre sehr bedauerlich, denn die Einnahmen der Erbschaftssteuer sind zu 2/3 oder schätzungsweise 2 Milliarden pro Jahr für die AHV bestimmt. Weil wir immer älter werden, gerät die AHV zunehmend in Schieflage und hat den Zustupf bitter nötig. Wenn die Reichsten der Reichen nach ihrem Ableben einen kleinen Beitrag zur Sicherung der Altersrente leisten, tut dies niemandem auch nur im Ansatz weh.
Zur Stabilisierung der AHV sehe ich folgende Alternativen:
– Erhöhung des Rentenalters
– Erhöhung der AHV-Beiträge auf den Löhnen
– Senkung der AHV-Renten
– Erhöhung der Mehrwertsteuer.
Bei all diesen Möglichkeiten würde die Allgemeinheit zur Kasse gebeten.
Was ist sinnvoller? Was ist gerechter als eine moderate Erbschaftssteuer auf sehr hohen Vermögen? Die Antwort scheint mir klar… Besonders wenn ich bedenke, dass in der Schweiz 2% der Bevölkerung gleich viel besitzen wie die anderen 98%.

Niemand mag Listenverbindungen

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Niemand mag Listenverbindungen – ein transparentes und gerechtes Wahlsystem existiert und müsste (auch vom Kanton Bern) nur eingeführt werden!
Es gehört zu den Grundpfeilern der Demokratie, dass alle Stimmberechtigten über die gleiche Stimmkraft verfügen und denselben Einfluss auf ein Wahlresultat haben sollten. Das einfache Prinzip „ein Mensch – eine Stimme“ wird kaum jemand ernsthaft in Frage stellen. Von seiner Einhaltung hängt ganz wesentlich ab, ob ein Wahlsystem und damit auch eine Staatsform als gerecht empfunden werden. Umso mehr erstaunt es mich, dass diesem Prinzip ausgerechnet in der Schweiz, die sich gerne als Hort und Wiege der direkten Demokratie rühmt, nur mangelhaft nachgelebt wird – auch im Kanton Bern wo Ende März gewählt wird.
Ein Blick auf die Resultate der letzten drei bernischen Grossratswahlen zeigt, dass die beiden grössten Parteien regelmässig mehr Sitze erhalten, als ihnen aufgrund ihres Stimmenanteils zustehen würden. Die SP hätte gemessen am Stimmenanteil im Jahr 2010 Anrecht auf 30 Grossratssitze gehabt, tatsächlich aber 35 Sitze besetzt. Nach den Wahlen 2006 war die SP mit 4 Sitzen übervertreten und bei den Wahlen 2002 erhielt sie im Verhältnis zum Stimmenanteil 5 Sitze zu viel.
Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Betrachten der SVP-Wahlresultate: Im Jahr 2002 wären ihr stimmenmässig 64 Sitze zugestanden, gewonnen hat sie aber 67. Auch nach den Wahlen 2006 war die SVP mit 3 Grossratsmandaten übervertreten. In der laufenden Legislatur sitzt gemessen am Stimmenanteil ein SVP-Vertreter zu viel im Rat.
Diese Beispiele verdeutlichen, dass der Wahlzettel einer SVP-Wählerin oder eines SP-Wählers im Kanton Bern regelmässig mehr Gewicht erhält, als jener von kleineren Parteien.
Wie ist so etwas möglich?
Die Problematik ergibt sich aus dem aktuellen Proporz-Wahlsystem, welches bei der Verteilung der Restmandate die grossen Parteien klar bevorteilt. Um dieses Manko etwas auszugleichen, existiert das Instrument der Listenverbindungen. Niemand mag sie. Sie sind ein rein rechnerisches Mittel, um die Benachteiligung kleinerer Parteien ein wenig auszugleichen.
Eine ungerechte Verteilung von Parlamentssitzen müsste nicht sein und wird eigentlich von der Bundesverfassung klar abgelehnt. Artikel 34 Absatz 2 verlangt nämlich, dass kein Wahlergebnis anerkannt werden darf, das nicht den freien Willen der Wählenden unverfälscht zum Ausdruck bringt.
Ein faires und gerechtes Wahlverfahren, das allen Parteien eine Vertretung gemäss ihrem Stimmenanteil ermöglicht, ist bekannt und in der Praxis erprobt: Der sogenannte „doppelte Pukelsheim“ ist zum Beispiel in den Kantonen Zürich, Aargau oder Schaffhausen bereits erfolgreich eingeführt. Als angenehmer Nebeneffekt sind bei diesem Wahlverfahren die ungeliebten Listenverbindungen überflüssig, weil jede abgegebene Stimme im ganzen Kanton genau gleich viel Gewicht erhält.
Es ist nicht akzeptabel, kleineren Parteien wissentlich und willentlich noch länger eine gerechte Vertretung im Grossen Rat zu verwehren. Bei zukünftigen Grossratswahlen soll deshalb gelten: „Ein Mensch – eine Stimme“. Das bedeutet, dass auch im Kanton Bern so bald wie möglich das Proporz-Wahlsystem „doppelter Pukelsheim“ eingeführt werden muss.
Ruedi Löffel, Grossrat EVP
(Nach einem Beitrag im «Wahltag»-Blog der online-Zeitung «Der Bund» vom 20. Januar 2014.)
PS: Die EVP wäre mit dem „doppelten Pukelsheim“ aktuell mit 9 statt mit 10 Personen im Grossen Rat vertreten. Eigennutz kann damit ausgeschlossen werden.

Written by Ruedi Löffel

1. Februar 2014 at 18:48

Vier Alkoholtote pro Tag – was macht der Ständerat?

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Tag für Tag sterben in der Schweiz durchschnittlich vier Menschen an den Folgen des Alkoholmissbrauchs – rund 1600 Menschen pro Jahr. Dies sind die offiziellen Zahlen des Bundesamtes für Gesundheit. Alkohol fordert also gut viermal mehr Opfer als der Strassenverkehr. Der Missbrauch der Volksdroge Alkohol ist mitnichten ein Problem aus früherer Zeit, sondern leider brandaktuell, in der Stadt wie auf dem Land.
Einer Mehrheit des Nationalrates ist das offenbar piepegal. Ihre Entscheide für ein regelrechtes Alkoholfördergesetz zeugen von erschreckender Faktenresistenz und unerträglicher Ignoranz gegenüber der Alkoholproblematik. Die Volksvertreterinnen und Volksvertreter haben nicht nur die sinnvollen Vorschläge des Ständerates für Mindestpreise und Verkaufseinschränkungen in Bausch und Bogen verworfen. Nein, die Nationalratsmehrheit hat gleich auch noch das geltende Verbot für Happy Hours und andere Vergünstigungsanpreisungen bei den Spirituosen gestrichen. Dies ist ein regelrechter „Aufruf zum Flatrate-Saufen“, wie Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf richtig bemerkte.
Studien zeigen: Mindestpreise sind wirksam. Genf macht gute Erfahrungen mit dem nächtlichen Verkaufsverbot. Beides sind effiziente Massnahmen, um den Alkoholmissbrauch einzudämmen und die Ziele des Gesetzes zu erreichen. Dies verlangen die Kantone, die Städte, der Polizeiverband und die Suchtfachleute.
Wie reagiert der Ständerat? Ich hoffe sehr, dass die Vertreterinnen und Vertreter der Kantone nicht einknicken und an den Differenzen zum Nationalrat festhalten.

Written by Ruedi Löffel

11. Oktober 2013 at 11:39

Nationalrat verabschiedet ein Alkoholfördergesetz

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Gestern und heute befasste sich der Nationalrat mit den beiden neuen Gesetzen, die das bisherige Alkoholgesetz ablösen sollen. Während das Spirituosensteuergesetz (SpStG) die Steuern von Spirituosen und Ethanol regelt, ist das Alkoholhandelsgesetz (AlkHG) für die Verminderung des Alkoholmissbrauchs samt den negativen Auswirkungen und für den Jugendschutz zuständig.
Der Nationalrat hat sich in der Debatte als “Sklave der Alkohollobby” (Zitat Strafrechtsprofessor Martin Killias) entpuppt. Im aktuellen Beschluss des Nationalrates kann nicht mehr ernsthaft von Jugendschutz gesprochen werden. Vielmehr werden die Produktion, der Konsum und damit der Missbrauch von Alkohol sogar noch gefördert.

Folgende Beschlüsse des Nationalrates sind aus Sicht der Prävention ganz klar falsch:

• Einführung der Ausbeutebesteuerung: Mit einem komplizierten und antiquierten System werden inländische Spirituosen auf Hochstamm- und Kernobstbasis steuerlich begünstigt. So sollen inländisch hergestellte Spirituosen günstiger werden. Dies führt zu jährlichen Mindereinnahmen bei den Spirituosensteuern von ca. 12 – 15 Millionen Franken. Es droht sogar die Gefahr, dass ausländische Spirituosen ebenfalls steuerlich begünstigt werden müssen, da die Ausbeutebesteuerung gegen internationale Abkommen verstösst. Die Steuerausfälle würden dann auf gegen 100 Millionen Franken steigen. Mit der Spirituosensteuer wird der Alkoholzehntel finanziert, den die Kantone für die Prävention einsetzen.

• Streichung der vom Ständerat geforderten alkoholgehaltabhängigen Mindestpreise: Belegt ist durch zahlreiche Untersuchungen, dass preisliche Massnahmen den Konsum ursächlich beeinflussen. Vor allem junge Menschen und Risikokonsumierende reagieren auf Preiserhöhungen. Mit dem Verzicht auf Mindestpreise darf der Alkohol weiterhin zu Dumpingpreisen verkauft werden. So bleibt es möglich, sich für wenig Geld einen lebensbedrohlichen Rausch anzutrinken.

• Lockerung der Regeln für Zugaben und Vergünstigungen: Im heute geltenden Alkoholgesetz sind Happy Hours und Flatrate-Partys für Spirituosen verboten. Der Nationalrat will diese im neuen AlkHG für alle Alkoholika erlauben. Bundesrätin Widmer-Schlumpf sprach von einem “Aufruf zum Flatrate-Saufen“. Clubs und Barbetreiber dürften sich die Hände reiben, doch die Öffentlichkeit muss die Folgen von Gewalt, Vandalismus, Littering und die Kosten von Spitaleinweisungen tragen. Vergeblich haben sich die Kantone, der Städte-, der Polizeiverband und Fachleute für strenge Vorschriften eingesetzt.

• Kein Nachtverkaufsverbot: Kantone, Städte, Polizei und Fachleute haben sich ebenfalls für ein “Nachtregime” eingesetzt, dem Verkaufsverbot von Alkohol im Detailhandel zwischen 22 und 6 Uhr. Auch dieses wurde verworfen, obwohl der Kanton Genf, der ein solches Verbot kennt, gute Erfahrungen damit gemacht hat. So wird (Billigst-)Alkohol mit dem Fortschreiten der 24-Stunden-Gesellschaft bald rund um die Uhr erhältlich sein. Viele junge, aber auch ältere Nachtschwärmer, planen ihren Alkoholkauf nicht im Voraus und werden künftig mehr Gelegenheiten zum Kauf und zum Konsum haben.

Immerhin konnte sich der Nationalrat zu zwei Präventionsmassnahmen durchringen: Erhöhung der Spirituosensteuer von 29 auf 32 Franken pro Liter und gesetzliche Verankerung von Alkoholtestkäufen. Dies bleibt ein schwacher Trost bei allen anderen Liberalisierungs- und Konsumfördermassnahmen.

Fazit: Die Nationalratsmehrheit hat weitgehend verantwortungslose Entscheide gefällt und sich in einigen Fällen als sehr faktenresistent erwiesen. Besonders das Alkoholhandelsgesetz spottet in dieser Form den im Zweckartikel formulierten Zielen.

Die Gesetze gehen nun zurück zum Ständerat. Es bleibt zu hoffen, dass dieser korrigierend eingreift. In dieser Form sind nämlich die beiden Alkoholgesetze untragbar und müssen mit einem Referendum bekämpft werden.

Ebenfalls publiziert im Blog „Jugendschutz Schweiz
Mike Neeser, Psychologe lic. phil.
Ruedi Löffel, Stellenleiter Suchtprävention Blaues Kreuz Bern

Der Sonntag darf nicht dem Profitdenken geopfert werden

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Mit der Liberalisierung der Öffnungszeiten von Tankstellenshops dürfte zum ersten Mal ein Detaillist rund um die Uhr offen haben und das gesamte Sortiment verkaufen– auch am Sonntag. Ich wehre mich gegen mehr Sonntags- und Nachtarbeit.

Auf den ersten Blick ist es eine kleine Änderung, welche uns die Vorlage „Liberalisierung der Öffnungszeiten von Tankstellenshops“ vorschlägt: In Tankstellenshops von Autobahnraststätten und an Hauptverkehrswegen dürften Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer neu auch sonntags und in der Nacht beschäftigt werden. Das gilt heute bereits für den Verkauf von Benzin und auch ein Tankstellenbistro darf die ganze Nacht offen haben. Der Shop hingegen muss heute um ein Uhr nachts schliessen.
Natürlich kann man sagen, das Personal sei ohnehin vor Ort und könne neben dem Bistro auch den Shop die ganze Nacht betreiben. Doch damit hätte zum ersten Mal ein Detailhändler die ganze Nacht offen und dürfte das gesamte Sortiment verkaufen – auch am Sonntag. Vor allem Grossverteiler und andere Verkaufsstellen werden bald einmal gleichlange Spiesse fordern. Entsprechende Forderungen wurden im Parlament bereits deponiert. Getreu dem Motto „wehret den Anfängen“ ist es deshalb entscheidend wichtig, dass wir jetzt Nein sagen. Es geht bei der Abstimmung nicht um Bratwürste, sondern um Menschen und ihre Arbeitsbedingungen.

Das Arbeitsgesetz ist für den Schutz der Arbeitnehmenden geschaffen worden. Es hat diese vor gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu schützen. Nacht- und Sonntagsarbeit haben negative Auswirkungen auf das Sozial- und Familienleben der Betroffenen. Das geltende Verbot darf deshalb nicht weiter ausgehöhlt werden. Der arbeitsfreie Sonntag ist eine jahrhundertealte Errungenschaft und ermöglicht gemeinsame Aktivitäten in der Familie, dem Freundeskreis, in Vereinen oder der Kirche. Der Sonntag ist ein Ruhe- und Feiertag. In einer immer hektischeren Zeit darf er nicht dem Profitdenken geopfert werden.
Viele Angestellte wollen nicht in der Nacht oder am Sonntag arbeiten, müssen sich aber fügen, weil sie auf die Jobs angewiesen sind. Der Staat ist verpflichtet, sie zu schützen. Vor allem in den Städten werden Polizei und Rettungsdienste der 24-Stunden-Gesellschaft und ihren Auswüchsen wie Littering, Vandalismus, Alkoholmissbrauch und Gewalt kaum mehr Herr. Da ist es nicht sinnvoll, das Angebot in der Nacht und am Sonntag weiter auszudehnen.
Auch Abgrenzungsfragen werden mit der vorgeschlagenen Gesetzesänderung nicht beantwortet, obschon die Befürworter dies behaupten. Sie werden einfach verlagert. So dürfte künftig umstritten sein, welcher Tankstellenshop an einem „Hauptverkehrsweg“ liegt und damit die erweiterten Öffnungszeiten für sich in Anspruch nehmen darf und welcher nicht.
Die Stimmberechtigten haben in über zehn Kantonen Nein gesagt zu Einkäufen am Sonntag und in der Nacht. Längere Öffnungszeiten sind kein Bedürfnis, obwohl das immer wieder behauptet wird. Auch das Gewerbe hat kein Interesse daran. Es wird nämlich insgesamt nicht mehr Umsatz erzielt, nur weil die Läden länger offen sind. Die Kosten hingegen würden steigen und die Grossverteiler würden Klein- und Familienbetriebe noch stärker aus dem Markt drängen.

Wer keine Ausdehnung der Nacht- und Sonntagsarbeit will und die Nase voll hat von all den negativen Auswirkungen der Rund-um-die-Uhr-Konsumgesellschaft, sagt
– NEIN zur Liberalisierungs-Salami-Taktik
– NEIN zu noch mehr nächtlichen Saufgelagen, Lärm und Abfall
– NEIN zum Diktat der Grossverteiler
– NEIN zur Zerstörung von Klein- und Familienbetrieben
– NEIN zum 24-Stunden-Arbeitstag

Publiziert mit leichten Anpassungen auf http://www.wahlkampfblog.ch am 17. Sept. 2013

Written by Ruedi Löffel

17. September 2013 at 15:09