EVP-Grossrat Ruedi Löffels Blog

Niemand mag Listenverbindungen

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Niemand mag Listenverbindungen – ein transparentes und gerechtes Wahlsystem existiert und müsste (auch vom Kanton Bern) nur eingeführt werden!
Es gehört zu den Grundpfeilern der Demokratie, dass alle Stimmberechtigten über die gleiche Stimmkraft verfügen und denselben Einfluss auf ein Wahlresultat haben sollten. Das einfache Prinzip „ein Mensch – eine Stimme“ wird kaum jemand ernsthaft in Frage stellen. Von seiner Einhaltung hängt ganz wesentlich ab, ob ein Wahlsystem und damit auch eine Staatsform als gerecht empfunden werden. Umso mehr erstaunt es mich, dass diesem Prinzip ausgerechnet in der Schweiz, die sich gerne als Hort und Wiege der direkten Demokratie rühmt, nur mangelhaft nachgelebt wird – auch im Kanton Bern wo Ende März gewählt wird.
Ein Blick auf die Resultate der letzten drei bernischen Grossratswahlen zeigt, dass die beiden grössten Parteien regelmässig mehr Sitze erhalten, als ihnen aufgrund ihres Stimmenanteils zustehen würden. Die SP hätte gemessen am Stimmenanteil im Jahr 2010 Anrecht auf 30 Grossratssitze gehabt, tatsächlich aber 35 Sitze besetzt. Nach den Wahlen 2006 war die SP mit 4 Sitzen übervertreten und bei den Wahlen 2002 erhielt sie im Verhältnis zum Stimmenanteil 5 Sitze zu viel.
Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Betrachten der SVP-Wahlresultate: Im Jahr 2002 wären ihr stimmenmässig 64 Sitze zugestanden, gewonnen hat sie aber 67. Auch nach den Wahlen 2006 war die SVP mit 3 Grossratsmandaten übervertreten. In der laufenden Legislatur sitzt gemessen am Stimmenanteil ein SVP-Vertreter zu viel im Rat.
Diese Beispiele verdeutlichen, dass der Wahlzettel einer SVP-Wählerin oder eines SP-Wählers im Kanton Bern regelmässig mehr Gewicht erhält, als jener von kleineren Parteien.
Wie ist so etwas möglich?
Die Problematik ergibt sich aus dem aktuellen Proporz-Wahlsystem, welches bei der Verteilung der Restmandate die grossen Parteien klar bevorteilt. Um dieses Manko etwas auszugleichen, existiert das Instrument der Listenverbindungen. Niemand mag sie. Sie sind ein rein rechnerisches Mittel, um die Benachteiligung kleinerer Parteien ein wenig auszugleichen.
Eine ungerechte Verteilung von Parlamentssitzen müsste nicht sein und wird eigentlich von der Bundesverfassung klar abgelehnt. Artikel 34 Absatz 2 verlangt nämlich, dass kein Wahlergebnis anerkannt werden darf, das nicht den freien Willen der Wählenden unverfälscht zum Ausdruck bringt.
Ein faires und gerechtes Wahlverfahren, das allen Parteien eine Vertretung gemäss ihrem Stimmenanteil ermöglicht, ist bekannt und in der Praxis erprobt: Der sogenannte „doppelte Pukelsheim“ ist zum Beispiel in den Kantonen Zürich, Aargau oder Schaffhausen bereits erfolgreich eingeführt. Als angenehmer Nebeneffekt sind bei diesem Wahlverfahren die ungeliebten Listenverbindungen überflüssig, weil jede abgegebene Stimme im ganzen Kanton genau gleich viel Gewicht erhält.
Es ist nicht akzeptabel, kleineren Parteien wissentlich und willentlich noch länger eine gerechte Vertretung im Grossen Rat zu verwehren. Bei zukünftigen Grossratswahlen soll deshalb gelten: „Ein Mensch – eine Stimme“. Das bedeutet, dass auch im Kanton Bern so bald wie möglich das Proporz-Wahlsystem „doppelter Pukelsheim“ eingeführt werden muss.
Ruedi Löffel, Grossrat EVP
(Nach einem Beitrag im «Wahltag»-Blog der online-Zeitung «Der Bund» vom 20. Januar 2014.)
PS: Die EVP wäre mit dem „doppelten Pukelsheim“ aktuell mit 9 statt mit 10 Personen im Grossen Rat vertreten. Eigennutz kann damit ausgeschlossen werden.

Written by Ruedi Löffel

1. Februar 2014 um 18:48

2 Antworten

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  1. Gut – – aber wie funktioniert der doppelte Pukelsheim? Bitte erklären, merci!

    Martin Minder

    3. Februar 2014 at 09:11

    • Beim „doppelten Pukelsheim“ wird in einem ersten Schritt (Oberzuteilung) bestimmt, wie viele Sitze eine Partei im ganzen Wahlgebiet (Kanton, Schweiz) zugute hat. Dies wird mit dem Gesamtstimmenanteil im ganzen Wahlgebiet bestimmt. Wenn z.B. die EVP bei den Nationalratswahlen schweizweit 2,5% der Stimmen erreicht, stünden ihr insgesamt 5 von 200 Sitzen zu.
      Im zweiten Schritt (Unterzuteilung) werden die Mandate der einzelnen Parteien, wie sie in der Oberzuteilung errechnet wurden, auf die verschiedenen Wahlkreise (Kantone, Grossratswahlkreise) verteilt. Dies wird anhand des Stimmenanteils einer Partei in den einzelnen Wahlkreisen berechnet.
      Insgesamt erhält jede Partei haargenau soviele Sitze, wie ihr vom Stimmenanteil her zustehen.

      Ruedi Löffel

      3. Februar 2014 at 16:27


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